05 May 2008

Auf Pilgerpfaden - in die deutsch-japanische Vergangenheit

Da haben wir doch eher zufällig herausgefunden, dass der Pilgerweg auf Shikoku doch tatsächlich quasi vor der Haustür unseres Hotels hier in Tokushima beginnt. Naja ... also nicht direkt, aber ganz in der Nähe. Dieser Pilgerweg umfasst 88 Stationen, die Tempel an den einzelen Stationen stammen von vor 1200 Jahren! Wir also hin - wieder mit Japan Rail und mit Hilfe des netten und hilfsbereiten Empfangschefs unseres Hotels. Der hat uns Zugverbindungen herausgesucht und ausgedruckt, einen Lageplan vom ersten Tempel ebenfalls ...

Wer sich auf den langen Weg begeben will, braucht die nötige Ausrüstung - hier im Bild an diesem Mädel zu sehen. Es gehört dazu u.a. auch ein Pilgerstab (-stock) mit Bimmel, das entsprechende Hemd, ein Beutel für die notwendigen Habseligkeiten, ein Hut als Schutz vor Sonne und Regen. Auch ein Pilgerbuch braucht man für den Stempel in jeder Station, und Kerzen und Räucherstäbchen. Zahnbürste, Seife, Schlafgewand ... ? Gibt es alles hier in der ersten Station zu kaufen.


Die ersten beiden Stationen haben wir (zu Fuß) aufgesucht ab Bahnstation Bando. Da sieht man natürlich die verschiedensten Menschen, u.a. aber auch viele Gläubige, die vielleicht nur einen, vielfach aber auch eine ganze Reihe von Tempeln aufsuchen, das Äußere einiger Pilgerer ließ darauf schließen, dass die schon eine ganze Weile unterwegs waren. Wir sahen auch drei nicht mehr ganz junge Pilger, die, frisch pilgermäßig eingekleidet, nun ihren spirituellen Handlungen nachgingen ...

Wir waren ja durch örtliche Prospekte bereits vorgewarnt ... doch dann kamen wir auch hierhin: zum Gelände des ehemaligen "deutschen" Kriegsgefangenenlagers hier in Bando. In Tsingtau (heute Xingdao; bekanntes chinesisches Bier mit deutscher Vergangenheit) gefangen genommene Soldaten wurden hier in einem Lager untergebracht. Manches spricht dafür, dass es ihnen gar nicht soooo schlecht hier ging, jedenfalls erinnert Japan gern an seine damaligen "Gäste" und die daraus entstandenen Freundschaften und internationalen guten Beziehungen. U.a. wurde von den deutschen Kriegsgefangenen erstmals in Japan Beethovens Neunte aufgeführt ... insofern sind diese Gefangenen echte Mittler von Kultur gewesen . Vorträge Gefangener im Lager fanden bald auch Interesse bei Japanern, es gab Kunst- und Handwerksausstellungen der Deutschen, die viel besucht waren, ein Bäcker lernte zwei Monate lang das Züchten von Hefe und Backen von Brot ... und erhielt anschließend ein Empfehlungsschreiben seines Ausbilders. Und natürlich Konzerte (s.o.).

Jedenfalls wurde dann hier ein Deutsches Haus errichtet, und später dann nochmal dieses hier als neuestes Gebäude, um an die Gefangenen, deren Beziehunge zu Japanern und die japanisch - deutschen Beziehungen zu erinnern.

Hättet Ihr das gewusst? Eine "traditionelle deutsch-japanische Freundschaft" ist mir ja durchaus geläufig, obwohl ich auch in vielen Gesprächen mit Japanern nicht herausgefunden habe, worin diese sich gründet. Dass die Japaner aber bereits 1914 uns den Krieg erklärt haben und sich unsere schöne Kolonie im Reich der Mitte unter den Nagel rissen - mir war das neu.

Morgen Nachmittag geht's weiter nach Osten nach Nagoya, anschließend wollen wir den Blick auf den und vom Fujisan (nicht Fujiyama) werfen, bevor wir uns in den Molloch Tokyo begeben.

1 comment:

Jan Siebrecht said...

Hi ihr beiden Japaner,

da hat sich in den letzten Tagen ja wieder mächtig was getan bei euch. Bei mir auch. Ich werd mir das gleich morgen auf der Arbeit mal durchlesen. Zu Hause komm ich ja zu nix...
;-)
War das (lange) Wochenende in Genf. Aber das ist auch eine längere Geschichte, die ich andermal und nicht hier erzähle.
Viel Spaß noch auf euerm Trip!
Schöne Grüße aus Frankfurt
euer
Jan